Von
Kangerlussuaq führt unsere Reise weiter nach
Norden. Mit der
zweimotorigen Dash 8, einer
kleinen Propellermaschine mit 37 Sitzplätzen,
geht es etwa 240 Kilometer fast immer entlang
der Küste nach
Ilulissat. Am Flughafen steht der
größte Hundeschlitten der Welt, dem 1994 der
Eintrag in das Guinness Buch der Rekorde gelang
(Länge 21,55m, Gewicht ca. 1.750 kg). 260
Schlittenhunde zogen den Schlitten, der max. 100
Personen transportieren könnte in 50 Sekunden
110 Meter weit. Ilulissat (deutsch „Eisberge“,
dänisch Jakobshavn)
ist mit etwa 4.500 Einwohnern nach der Hauptstadt Nuuk
(16.200 Ew.) und Sisimiut (5.600 Ew.) die
drittgrößte Stadt Grönlands. Der Ort liegt
wettergeschützt am Ostufer der Diskobucht und
gilt wegen der guten Infrastruktur als
wichtigstes Touristenziel Grönlands.
Eine besondere Attraktion ist dabei der Ilulissat-Eisfjord, der zum UNESCO-Weltnaturerbe
gehört.
Zunächst erkunden wir die nach unserer
Betrachtungsweise „kleine Stadt“. Im Gegensatz
zum ostgrönländischen
Tasiilaq treffen wir hier
auf einen Ort mit durchaus westeuropäischem
Standard. Es gibt eine ganze Reihe von
Unterkunftsmöglichkeiten (vom einfachen
Gästehaus bis zum guten Hotel), Supermärkte mit
einem breiten Angebot, Sportstätten, Museen und
ein verarbeitendes Gewerbe (Fischverarbeitung).
Lohnenswert ist besonders der Besuch des
Museums, welches unter anderem wichtige
Stationen aus dem Leben des bekanntesten
Einwohners der Stadt, dem Polarforscher Knud
Rasmussen, veranschaulicht.
Am Nachmittag begeben wir uns auf eine erste
kleine Wanderung zum Eisfjord. Leider sind an
diesem Tag zum ersten Mal während der Reise
dicke Wolken aufgezogen. Es bleibt aber trocken.
Vom ehemaligen Helikopterlandeplatz führt ein
markierter Wanderweg, der über weite Strecken
mit Holzbohlen ausgelegt ist, zunächst zur zwei
Kilometer entfernten ehemaligen Inuit-Siedlung
Sermermiut, in der einst bis zu 250 Menschen
gelebt haben sollen. Sermermiut gilt damit als
größte bekannte Siedlung der Ureinwohner
Westgrönlands. Das gesamte Gebiet wurde unter
strengen Schutz gestellt, der Weg darf nicht
verlassen werden. Wir treffen hier erstmals auch
auf Inuit-Gräber. Einen großen Grabhügel findet
der aufmerksame Wanderer auch noch unmittelbar
am Eisfjord. Unter den Steinhügeln sind
teilweise noch die Gebeine der Verstorbenen zu
sehen, die in Hockstellung mit Blick zum Meer
beigesetzt wurden.
Dann
erreichen wir den Eisfjord und schauen auf die
unfassbar große Menge an Eisbergen, deren
„Wanderung“ in die Diskobucht durch eine
Schwelle im Meeresboden gehemmt wird. Seinen
Ursprung hat der Eisstrom am Sermeq Kujalleq (Jakobshavn
Isbræ), dem schnellsten Gletscher der Welt.
Täglich schiebt er sich über 20 m nach Westen.
Beim Kalben des Gletschers brechen riesige
Eisberge ab, die mehrere Kilometer lang und bis
zu 1000 Meter hoch sein und weit über 100 Meter
aus dem Wasser ragen können. Die Eisberge
schwimmen im Fjord und erreichen schließlich die
Isfjeldsbanken, eine Untiefe von etwa 250 Meter
unter dem Meeresspiegel. Es handelt sich dabei
um die einstige Moränenablagerung des
Gletschers. Der Eisfjord ist rund 40 Kilometer
lang, sieben Kilometer breit und vollständig mit
Eis gefüllt. Schließlich brechen die Eisberge,
nachdem sie im Sommer beginnen abzutauen, an der
Felsbarriere und treiben in die Diskobucht. Es
wird mit recht hoher Wahrscheinlichkeit
angenommen, das der Eisberg, mit der die Titanic
kollidierte, aus dem Eisfjord bei Ilulissat
stammte.
Während der Gletscher Sermeq Kujalleq zwischen
1950 und 2000 recht stabil blieb, hat sich die
Gletscherzunge bis 2007 um zehn Kilometer
zurückgezogen. Gleichzeitig nahm die
Fließgeschwindigkeit des Gletschers ab 2004 auf
40 Meter pro Tag stark zu.
Blickt man auf die Eisberge, liegen diese scheinbar
unbeweglich vor und in der Bucht bei Ilulissat.
Wie der Eindruck doch täuscht. Eine
Zeitrafferaufnahme, die mir Josef dankenswerter
Weise zur Veröffentlichung zu Verfügung stellte,
zeigt die Bewegung der Eismassen. Innerhalb
einer Nacht hatten tonnenschwere Berge die
Schwelle am Ende des Eisfjord überwunden und
trieben plötzlich direkt vor dem Hafen und
unserem Hotel.
Wer sich in Ilulissat aufhält, sollte unbedingt
eine Fahrt mit einem der kleinen Ausflugsboote
Richtung Eisfjord unternehmen. Erst wenn man mit
dem Schiff unmittelbar an den Eisbergen
entlangfährt, kann man die Dimension richtig
erfassen. Wichtiger Hinweis: Warme Sachen zum
Überziehen mitnehmen. Die Fahrt dauert meist
mehrere Stunden und es wird in unmittelbarer
Nähe des Eises schnell empfindlich kalt. Hinzu
kommt der Fahrtwind des Bootes. Auf unserem
Ausflug hatten wir die Gelegenheit, einen
einheimischen
Heilbuttfischer bei der Arbeit zu
beobachten. Die Fische werden mit einer
Langleine gefangen. Dazu legt der
Fischer eine bis zu 2 Kilometer lange, mit
Ködern bestückte Schur auf den Grund des Fjordes
aus. Am nächsten Morgen wird diese Leine dann
von der gesetzten Boje aus eingeholt. Der Fang
an diesem Morgen war sehr gut. Einen Teil des
Heilbutts konnten wir am Abend in Form einer
Fischsuppe und über dem offenen Feuer gegrillt
genießen. Am Abend kam dann auch die Sonne
wieder heraus.
Eine längere und lohnenswerte
Wanderung führte
uns vom Steinbruch in Ilulissat zum Eisfjord und
über Sermermiut zurück zum alten
Helikopterlandeplatz. Die Route ist mit blauen
Punkten bzw. blau eingefärbten Steinen gut
markiert und der Weg damit kaum zu verfehlen.
Der Aufstieg führt zunächst durch felsiges und
oft feuchtes Gelände auf eine Anhöhe oberhalb
des Eisfjords. Gute Wanderschuhe und das
Mückennetz sollten also zur Ausrüstung für die
Tour gehören. Nach etwas mehr als eine halben
Stunde öffnet sich der Blick auf den Eisfjord.
Wir gehen jetzt parallel zu diesem eine ganze
Weile entlang. Immer wieder bieten sich
faszinierende Aussichten und Fotomotive auf den
Eisstrom. Schließlich erreichen wir den uns
bereits bekannten Aussichtspunkt oberhalb der
alten Inuit-Siedlung Sermermiut. Waren wir bis
dahin fast ganz allein unterwegs, treffen wir
jetzt wieder auf den „Strom der Touristen“.
Wobei sich die Anzahl der Touristen in diesem
eisigen Land zum Glück noch sehr in Grenzen
hält. Es sei denn, es hat gerade ein
Kreuzfahrtschiff angelegt und der Tagesausflug
der „Kreuzfahrer“ geht zum Eisfjord.
Wenn ich gerade den Begriff des ‚eisigen Landes‘
verwendet habe: Die Temperaturen bewegten sich
während unseres gesamten Aufenthalts in
Westgrönlands im Wohlfühlbereich von 15 – 17 °C
bei Sonnenschein von 24 Stunden am Tag. Einzige
Ausnahme waren knapp zwei Tage in Ilulissat, an
denen wir die Sonne nur selten zu sehen bekamen.
In dieser Zeit sanken die Temperaturen in den
einstelligen Bereich.
Fortsetzung:
Eqi-Gletscher - Walsafari
|