Hohe Tatra im September 2013: Prinzensattel und
Gipfeltouren
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Die Hohe Tatra gilt als „kleinstes
Hochgebirge der Welt“. Genau genommen ist sie
allerdings nur ein Teil der Karpaten und gar
kein eigenständiger Gebirgszug. Wir sind seit
fast 30 Jahren immer wieder hierher gekommen.
Vor 1990 konnten wir kaum ein anderes
Hochgebirge besuchen, danach kamen wir wieder,
weil es uns hier einfach gefällt. Obwohl nur
weniger der höchsten Gipfel des 27 km langen
Hauptkammes über 2.500 m herausragen, werden an
den Bergwanderer hohe Anforderungen gestellt.
Wer hier „richtig“ wandern gehen möchte, muss
sich auf lange und teils wirklich schwere
Bergtouren einstellen. Mit der Erfahrung vieler
Bergurlaube in anderen Teilen Europas können wir
das recht gut beurteilen.
Da die Hohe Tatra heute kaum im Fokus deutscher
Bergwanderer und Urlauber steht, möchte ich an
dieser Stelle zunächst einige kurze
Informationen als Überblick geben, bevor wir die
Wanderungen unseres (leider) nur sehr kurzen
Aufenthalts im September 2013 beschreiben. Es
kommt mir dabei weniger auf eine Aufzählung von
Fakten an, die kann man bei
Wikipedia oder auf anderen Internetseiten
nachlesen, sondern um die subjektive
Betrachtungsweise einiger Besonderheiten des
slowakischen Teils der Hohen Tatra. Die Grenze
zu Polen verläuft über den Hauptkamm der Tatra, den nördlichen (polnischen) Teil des
Gebirges haben wir bisher noch nicht besucht.
Alle weiteren Aussagen gelten deshalb
ausschließlich für den slowakischen Teil der
Hohen Tatra.
Die Hohe Tatra bietet ein alpenähnliches
Panorama mit einem typischen Hochgebirgsrelief,
welches über der Ebene steht und besonders
eindrucksvoll aus der Gegend um Poprad wirkt.
Recht ungewöhnlich ist die Anordnung der
höchsten Gipfel am südlichen Gebirgsrand. Wegen
der nördlichen Lage und des Kontinentalklimas
liegt die Baumgrenze bereits bei etwa 1.500 m.
Höchster Berg der Tatra ist die Gerlachovský
štít (Gerlsdorfer Spitze, 2.655 m), der
bekannteste Berg die
Lomnický štít (Lomnitzer
Spitze, 2.634 m, Seilbahn zum Gipfel). Beide
Gipfel dürfen nur mit zertifizierten
slowakischen Bergführern bestiegen werden.
Überhaupt gibt es nur eine kleine Anzahl von
Bergen, die touristisch – auf markierten Wegen –
bestiegen werden dürfen. Zu den bekanntesten
dieser Gipfel zählen der Rysy (Meeraugspitze,
2.499 m/ 2.503 m nach polnischen Angaben, damit
wahrscheinlich ihr höchster Berg über 2.500 m
ist), die mächtige Slavkovský štít
(Schlagendorfer Spitze, 2.452 m) und der
Kriváň (Ochsenhorn, 2.494 m), ein wichtiges
nationales Symbol der Slowaken. Er ist auf den
slowakischen Centmünzen abgebildet.

Bereits Ende der 1940er Jahre wurde der Tatra
Nationalpark (TANAP) gegründet (die Angaben
im Internet schwanken zwischen 1947 und 1949).
Für den Besuch des TANAP gelten strenge Regeln.
Wanderer dürfen nur Straßen und markierte Wege
benutzen. Außerhalb markierter Wege ist die
Begleitung durch einen registrierten Bergführer
erforderlich. Für die meisten alpinen Wege gilt
eine Wintersperre vom 1. November bis 15. Juni.
Im Gebiet des Nationalparks gibt es neben
kleineren Orten drei wichtige touristische
Zentren: Štrbské Pleso, Starý Smokovec und
Tatranská Lomnica (drei Ortsteile der Stadt
Vysoké Tatry). Zwischen diesen Orten und der
Stadt Poprad verkehrt eine elektrische Bahn
(ähnlich einer Straßenbahn). Sie sind damit gute
Ausgangspunkte für Bergtouren. Von Tatranská
Lomnica (Tatralomnitz) führt eine Seilbahn
(kleine Kabinen) zum Skalnaté pleso (1.751 m).
Von dort aus kann man mit der Kabinenbahn zur
Lomnický štít fahren (Preis 24,00 Euro/Person im
September 2013, in der Saison oft ausgebucht,
lange Vorreservierungslisten). Ein Sessellift
führt zum Sattel unter der Lomnitzer Spitze. Vom
Ort Starý Smokovec (Altschmecks) bringt eine
Standseilbahn Touristen zum Hrebienok (1.285 m),
ein sehr guter Ausgangspunkt für längere
Bergtouren. Von Štrbské Pleso (Tschirmer See)
aus kann man mit einem Sessellift bis zur Hütte
unter dem Predné Solisko (Vorderer Solisko, 2.093
m) fahren. Weiter technische Hilfen gibt es nicht.
Alles andere gehst du zu Fuß.
Galt die Hohe Tatra jahrzehntelang als
Naturparadies, änderte sich dies im Jahr 2004
von einem Tag auf den anderen. Ein Orkan
vernichtete am 19. November 2004 fast die Hälfte
aller Bäume auf der slowakischen Seite der
Hohen Tatra. Die drei Kilometer breite und 50
Kilometer lange Schneise der Verwüstung ist auch
heute noch deutlich zu sehen. Man schätzt die
Größe der zerstörten Fläche auf 12.000 Hektar.
Nach Regenfällen und Schneeschmelzen drohten
danach Überschwemmungen und Erdrutsche. In den
letzten Jahren hat sich zudem der Borkenkäfer
stark vermehrt und die Fichtenmonokulturen
extrem in Mitleidenschaft gezogen. Die
Ausbreitung scheint sich ungebremst
fortzusetzen. Zunächst wurden die Orkanschäden
als nationale Katastrophe empfunden. Heute setzt
sich die Erkenntnis durch, dass der
Zusammenbruch des Fichtenwaldes auch als Chance
für einen beschleunigten Umbau zum natürlichen
Mischwald gesehen werden kann. Großflächige
Neuaufforstungen mit Fichten haben wir
jedenfalls nicht bemerkt.
Nach den
Orkanschäden eskalierte der Streit
zwischen den Befürwortern des reinen
Naturschutzes und Betreibern oder Investoren der
Tourismusbranche. Deshalb gab es mehrere
Vorschläge zur neuen Zoneneinteilung des
Nationalparks, die bisher aber nicht umgesetzt
wurden. In der slowakischen und tschechischen
Presse wurde der Sachverhalt mehrfach kontrovers
behandelt, leider fast ohne Beachtung in
deutschen Medien. Bei
Wikipedia gibt es auch nur
tschechische/slowakische Quellen ohne deutsche
Übersetzung. In Tatranská Lomnica (Tatralomnitz)
werden aber offensichtlich gerade neue Tatsachen
geschaffen. Mit schwerer Technik werden auf den
nun fast baumlosen Hängen neue Skipisten
angelegt. Sicher ist dies auch der Tatsache
geschuldet, dass es im Sommer deutlich weniger
Touristen gibt als noch vor 20 oder 30 Jahren.

Überhaupt steht es
ganz offensichtlich mit der Struktur und
Leistungsfähigkeit im Tourismus nicht zum
Besten. Wir hatten ein Hotel in Starý
Smokovec (Altschmecks) gebucht, einst die
mondänste Gemeinde der Hohen Tatra. Bereits 1840
entstanden die ersten Kurhäuser im "slowakischen
Davos", wie man sich gern selbst bezeichnete.
Mineralquellen und die saubere Luft sorgten für
Wohlstand. Gut betuchte Adlige stiegen im "Grand
Hotel" ab. Später war es dann die kommunistische
Elite. Heute sollen wohl vorwiegend wohlhabende
Gäste aus Polen und Russland den in die Jahre
gekommenen Charme des Hotels genießen. Abseits
der einstigen Nobelherberge herrscht Tristesse.
Viele Häuser aus dem vorigen Jahrhundert sind
dem Verfall preisgegeben. Einige Hotels wurden
zwar renoviert, aber am Abend herrscht im
Touristenort „tote Hose“. Uns gelang es nicht
mal, am Abend in einem Restaurant ein Bier zu
trinken. Nur in der Hotelbar war dies möglich,
natürlich zum deutlich erhöhten Preis. 20.00 Uhr
(spätestens) werden die Bürgersteige
hochgeklappt. Dann ist teilweise nicht mal mehr
eine Straßenlampe eingeschaltet. Mit den
günstigen Preisen ist es auch vorbei. Noch in
den Jahren 2002 (Sommer) und 2005/2006 (Winter)
– unsere letzten beiden Tatra-Besuche - sah dies
ganz anders aus. Aber mit der Einführung des
Euro in der Slowakei wurde das Preisgefüge
offensichtlich dem „europäischen Standard“
weitestgehend angeglichen. Sieht man von den
Preisen für Nahverkehrsmittel (Tatrabahn) und
dem Nationalgetränkt Bier (im Freisitz etwa 1,10
Euro/halber Liter) ab, wird ein Urlaub hier kein
Schnäppchen.
Nun will ich nach den beiden letzten Absätzen
die Tatra und die Slowakei nicht
„schlechtschreiben“. Denn eins ist sicher und
steht deshalb hier auch zum Abschluss: Es
waren herrliche Tage und grandiose Wandertouren,
die wir wieder einmal in der Hohen Tatra erleben
durften. Dazu mehr auf den folgenden
Seiten - siehe Navigation auf der rechten
Seite.
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