Eingeweicht: Auf dem Rennsteig unterwegs (2)

Nach dem Bericht vom ersten Teilstück unserer Runst bis zum Inselsberg geht es jetzt weiter:

Gleich zu Beginn will mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, ob der Kaffee im Hotel unter freiem Himmel gekocht wurde. Muss wohl Regenwasser in die Kanne gekommen sein, denn einen solch dünnen Kaffee, bei dem man den Boden der Tasse sehen konnte, hatte ich in meinem Leben noch nie getrunken.

Aussichtsturm auf dem Weg nach OberhofZu sehen gab es auf der gesamten Etappe recht wenig, wie das Foto von einem der neu errichteten Aussichtstürme unschwer vermittelt. Die Holztürme gab es vor zehn Jahren noch nicht, eine Aussicht – auch ohne Turm – schon. Wir spulen unsere Kilometer ab. Neue AusspanneDie Waldwege sind zunehmen von Pfützen bedeckt. Gegen Mittag erreichen wir die „Neue Ausspanne“, einen Imbiss, der offensichtlich gern von Fernfahrern genutzt wird. Wir bekommen immerhin ein warmes Essen. Es wird das Einzige an diesem Tag bleiben.

Neue AusspanneSchutzhütte am Grenzadler in Oberhof Der Regen wird stärker. Glücklicherweise gibt es entlang des Rennsteigs in relativ kurzen Abständen immer wieder Schutzhütten, in denen wir im Trockenen den Rucksack abnehmen und eine kurze Rast einlegen können. Die letzte Schutzhütte am Grenzadler oberhalb Oberhofs – Foto stammt vom nächsten Tag – erreichen wir völlig durchweicht.

Irgendwann versagen nach acht Stunden auch Regensachen aus dem oberen Preissegment und die Wanderschuhe eines deutschen Markenherstellers werden innen feucht. Nach 30 Kilometern gelangen wir zu unserer Unterkunft, der „Aktiv Pension“ in Oberhof. Die Freude ist groß ob des geräumigen Zimmers mit großem Bad und gut funktionierender Heizung, wird allerdings leicht getrübt bei der Frage zu geöffneten Gaststätten. Nach der etwas ausweichenden Antwort der Wirtin entschließen wir uns, in die wenige Meter entfernte Kaufhalle zu gehen und das Abendessen selbst zuzubereiten.

Der nächste Morgen begrüßt uns mit einem sehr guten Frühstück, Nebel und Nieselregen. Das stört uns doch heute überhaupt nicht, denn heute ist Ruhetag. Am späten Vormittag reißt die Wolkendecke auf und wir bekommen zum ersten Mal während der Runst blauen Himmel zu Gesicht. Auf einem kleinen Spaziergang durch Oberhof wollen wir einen Tisch für das Abendbrot reservieren.

Oberhof Oberhof Oberhof Oberhof

Ein völlig illusorisches Unterfangen. Die Hotels dürfen nur Übernachtungsgäste bewirten – nach Thüringer Corona-Verordnung – wie man uns sagt. Die einzige Gaststätte, die wir finden, ist eine Pizzeria. Die öffnet gerade und eine geduldig wartende Menschentraube strömt maskiert hinein. Falls diesen Beitrag jemand in einigen Jahren lesen sollte und sich nicht mehr erinnern kann: Im Jahr 2020 bestand wegen der Corona Pandemie eine strenge Maskenpflicht beim Betreten von Gaststätten, Läden und diversen anderen Einrichtungen. Wir warten also geduldig, bis allen Gästen ein Platz zugewiesen ist und fragen, ob wir für den Abend einen Tisch reservieren dürfen. Dürfen wir nicht. Es werden keine Reservierungen angenommen. Wir könnten es ja versuchen. Vielleicht bekommen wir Platz. Wir werden es nicht versuchen, gehen wieder in der Kaufhalle vorbei und holen uns etwas zum Abendbrot. Mir fällt eine der Reden unseres derzeitigen Gesundheitsministers ein mit seinem Spruch: „Machen Sie Urlaub in Deutschland in diesem Jahr“. Er vergaß den Nachsatz: Nehmen Sie sich unbedingt Ihre Verpflegung mit, sofern Sie nicht gerade fasten. Prinzipiell ist das ja kein Problem, wenn man eine Ferienwohnung bucht und mit dem Auto anreist. Aber als Rucksacktourist?

am Rondell in OberhofDas Frühstück am nächsten Tag war wieder ausgezeichnet, der Preis für die zwei Übernachtungen sehr moderat. von Oberhof nach Neustadt am RennsteigWir machen uns also frohen Mutes auf den Weg, zunächst aus Oberhof bergan bis zum Rondell und dann auf dem Rennsteig weiter. Das nächste Etappenziel heißt Neustadt am Rennsteig, mit den Highlights Plänckners Aussicht am höchsten Punkt des Rennsteigs und Schmücke, um die bekanntesten Punkte zu nennen. Als wir uns dem höchsten Punkt des Rennsteigs unterhalb des Großen Beerbergs nähern, geht die Sicht gegen Null, den Aussichtturm können wir im Nebel gerade noch so erkennen. Die Aussicht bedeutet für uns also den Turm zu sehen. Es fängt bald danach an zu tröpfeln. Aber nur ganz leicht. An der Schmücke sind wir noch zu zeitig für ein Einkehr.

höchster Punkt des Rennsteigs Plänckners Aussicht - ohne Aussicht mehr Pfütze als Weg Schmücke

Immerhin reißt die Wolkendecke kurz auf und wir können tatsächlich so etwas wie eine Aussicht genießen.

Schmücke - so etwas wie eine AussichtWenig später beginnt es zu regnen. Haben wir heute Glück und finden den Bahnhof am Rennsteig mit seiner urig eingerichteten Gaststätte geöffnet? Ja, haben wir. Wir bekommen auch einen gemütlichen Platz und ein warmes Mittagessen. Das ist erst einmal das wirkliche Highlight des Tages.

Bahnhof Rennsteig - hier halten tatsächlich Züge Bahnhof Rennsteig Bahnhof Rennsteig Bahnhof Rennsteig - das Bier natürlich alkoholfrei

die Hälfte ist geschafftFrisch gestärkt geht es auf den immer noch recht langen Weg nach Neustadt am Rennsteig. Unterwegs passieren wir den Mittelpunkt des Rennsteigs. Die Hälfte der Runst ist also geschafft. Im Regen erreichen wir nach 28 Kilometer Wanderung (von Oberhof bis auf den Rennsteig waren es etwa 2,5 Kilometer Zusatzweg zur Rennsteigstrecke) unsere Pension. Die Einrichtung ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, unsere nette Wirtin gleicht das aber mit Ihrem Service aus. Getränke bekommen wir von ihr zu sehr moderaten Preisen und sie reserviert uns auch noch einen Tisch zum Abendbrot im nahe gelegenen Gasthof Hubertus.

Der nächste Morgen begrüßt uns mit Nebel und kaum 50 Meter Sicht. Also nichts Neues. Neu ist die Charakteristik des Rennsteigs ab Neustadt. Während wir zuvor meist durch den Wald wanderten, führt die markierte Route jetzt oft in unmittelbarer Nähe der Landstraße entlang. Der Verkehr hält sich zwar in Grenzen, von Ruhe und Abgeschiedenheit kann nun allerdings nicht mehr die Rede sein. Mehrere Orte werden wir in den kommenden Tagen passieren. Masserberg - AussichtsturmIn Masserberg geht es relativ steil bergan bis zum dominanten Aussichtsturm. Da es schon wieder regnet und die Sicht nur wenige Meter beträgt, verzichten wir auf die zusätzlichen Höhenmeter. Nach der Mittagsrast aus dem Rucksack führt die Wanderung jetzt wieder durch den Wald. mehr Bachbett als WegDie schmalen Wege muten manchmal eher wie flache Bachläufe an, so aufgeweicht ist der Boden nach der tagelangen Durchfeuchtung. Blick auf FriedrichshöheIn Friedrichshöhe kommt dann endlich die Sonne zum Vorschein. Der Weg bis zu unserem nächsten Etappenziel in Limbach ist nicht mehr allzu weit, die Hoffnung auf einen freundlichen Nachmittag erfüllt sich nicht. Während einer kurzen Rast in der Schutzhütte am Dreistromstein öffnet der Himmel erneut seine Schleusen. Wir befinden uns an der Wasserscheide der drei großen Flüsse Elbe, Weser und Rhein, wie uns auf der Tafel erläutert wird. Der Dreistromstein macht also seinem Namen alle Ehre.

einer dier viele Rastplätze mich Überdachung Dreistromstein Dreistromstein Limbach - ein Ortsteil von Scheibe-Alsbach

Reichlich durchgeweicht erreichen wir unsere gebuchte Pension in Limbach. Die Wirtin ist gut vorbereitet und nimmt uns die nassen Sachen ab. Im eigenen Trockenraum sind sie besser aufgehoben als in unserer kleinen Dachkammer. Diese ist aber gemütlich, warm und verfügt über eine Dusche mit herrlich heißem Wasser. Das Abendbrot gibt es aus dem Rucksack, denn eine geöffnete Gaststätte ist an diesem Montag in der Nähe nicht zu finden. Das wussten wir und waren vorbereitet. Was uns viel größere Bauchschmerzen bereitet, ist der Blick ins Internet und die Wetteraussichten für die kommenden Tage. Zwar soll der folgende Dienstag tatsächlich (fast) trocken ausfallen, der kommende Mittwoch dann aber mit sintflutartigen Regenfällen aufwarten. Einige Wetterdienste prognostizieren Dauerregen und über 60 Liter Wasser innerhalb von 24 Stunden.

Wir beschließen, an unserem nächsten Etappenort Spechtsbrunn einen zweiten Ruhetag einzulegen und hoffen darauf, dass wir das über Booking.com reservierte Zimmer um eine Nacht verlängern können. Das funktioniert auch durch einen Anruf. Nur, wollen wir dann wirklich bis nach Blankenstein weiter? Die Wetteraussichten werden nicht besser. Auch für Donnerstag und Freitag ist Regen vorausgesagt. Wir beschließen deshalb, am Donnerstag nur bis Steinbach am Wald zu laufen und von dort mit dem Zug über Leipzig zurück nach Dresden zu fahren. Jetzt kommt mir tatsächlich der gewählte Bahntarif mit der Stornierungsmöglichkeit zugute. Die Umbuchung via Internet und Smartphone verläuft problemlos. Selbstverständlich sage ich die Unterkunft in Grumbach ab. Der Vermieter zeigt Verständnis für unsere Situation. Vielen Dank für das kostenfreie Storno.

Am nächsten Morgen werden wir mit einem Frühstück empfangen, wie ich es in manchem Viersternehotel noch nicht bekommen habe – siehe Foto. LimbachGut gelaunt machen wir uns auf die nicht zu lange Etappe nach Spechtsbrunn. Ab und an scheint die Sonne durch die heute nur dünne Wolkendecke. Am sogenannten „Noranke Stauseeblick“ können wir sogar eine ganz gute Aussicht genießen, müssen zunächst allerdings über die tiefen Spuren steigen, die der Harvester hier hinterlassen hat. Diesen begegnen wir jetzt immer wieder. Der Borkenkäfer lässt grüßen. Das schon so vertraute Bild aus der Sächsischen Schweiz begleitet uns und ein gutes Stück des Weges.

Noranke-Stauseeblick tiefe Harvesterspuren vor dem Noranke-Stauseeblick Borkenkäferwald oder was davon übrig bleibt Fernblick über den Borkenkäferwald oder was davon übrig bleibt

Neuhaus am RennwegNeuhaus am RennwegIn Neuhaus am Rennweg scheint die Sonne. Da der Rennsteig mitten durch den Ort führt, bietet sich die Möglichkeit, die Verpflegungsvorräte aufzufüllen. Man weiß ja nie, was noch kommt. Zur Mittagsrast nutzen wir wieder eine der vielen Schutzhütten des Rennsteigs. Der Blick zum Himmel verheißt nichts Gutes. Es wird doch nicht schon wieder…?

Es kommen nur ein paar Tropfen, die Wolke zieht über uns hinweg und es wird wirklich noch ein ganz angenehmer Tag. WeihnachtsoutletIn Ernstthal begrüßt uns der Weihnachtsmann. Sind wir schon so lange unterwegs? Nein, es ist nur der Outlet Lauscha. auch am Brand ist die Gaststätte geschlossenDie Mittagsrast müssen wir wieder in einer Schutzhütte verbringen, auch am Brand ist die Gaststätte geschlossendie Gaststätte am Brand hat geschlossen. Die in unserer Unterkunft in Spechtsbrunn nicht. Das Abendbrot ist also gesichert. Nur für Hausgäste, selbstverständlich. Aber das sind wir ja, sogar für zwei Tage. Ich hatte nicht mehr in Erinnerung, dass unser Gasthof nur Zimmer ohne Dusche/WC anbietet, aber mit den wenigen Gäste kann man sich die Sanitäreinrichtung schon teilen.Blick auf SpechtsbrunnÜber den Mittwoch gibt es nichts zu berichten. Der angekündigte Dauerregen hatte in den frühen Morgenstunden eingesetzt.

Spechtsbrunn - trostlos im Dauerregen
Der Donnerstag sollte eigentlich der letzte Tag unserer Runst mit dem Ziel in Blankenstein werden. Nach der Planänderung hatten wir nur noch das relativ kurze Stück bis nach Steinbach am Wald vor uns. auf dem Weg nach Steinbach am WaldDer längste Teil des Rennsteigs läuft auf diesem Teilstück auf Asphalt direkt neben der Frankenwaldhochstraße. Das ist wirklich ein trostloser Abschnitt, wie mir aus meiner Wanderung vor zehn Jahren im Gedächtnis haften geblieben war. Also wählen wir die Umgehung durch den Wald. Die ist zwar etwa zwei Kilometer länger, aber wir haben ja heute Zeit.

auf dem Weg nach Steinbach am Waldauf dem Weg nach Steinbach am WaldEs wurde allerdings nicht besonders angenehm. Gleich nach dem Passieren der Bayerischen Landesgrenze geht es gut markiert in den Wald. Der an sich recht angenehme Waldweg ist allerdings völlig aufgeweicht, die Wurzeln, die sich auf dem Weg verteilen, sind höllisch rutschig. Und es regnet schon wieder. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze verfehlen wir dann auch noch einen markierten Abzweig und müssen schließlich geschätzte tausend Meter quer durch den Wald zum Rennsteig zurück. der Obelisk in Steinbach am WaldFür das letzte Stück wählen wir dann doch den Asphalt neben der Straße. Der ist wenigsten nicht von Pfützen übersät. Wieder einmal durchnässt kommen wir nach knapp 15 Kilometern in Steinbach am Wald an, finden immerhin einen Imbiss, in dem wir uns stärken, aufwärmen und etwas trocknen können und beginnen schließlich am frühen Nachmittag unsere Rückfahrt mit dem Zug nach Dresden. Die Bahnfahrt verläuft reibungslos, wir sind am frühen Abend wieder zu Hause.

Fazit: Unsere Runst blieb unvollendet. Bis zum eigentlichen Ziel fehlten uns noch 28 Kilometer. Der Bericht soll nicht den Eindruck erwecken, dass wir deprimiert zu Hause angekommen wären. Das Wetter war uns dieses Jahr einfach nicht gewogen. In einem Kalenderjahr, welches als Dürrejahr von den Meteorologen bezeichnet wird, hatten wir an acht von neun Tagen Regen, teils heftig und an zwei Tagen auch durchgehend. Unsere Wanderung war mehr eine sportliche Herausforderung als ein Urlaub. Das ist in Ordnung. Wir wollen auch nicht den Stab über die Gastronomie und Hotellerie brechen, schon gar nicht in diesem „Coronajahr“. Es stimmt aber schon manchmal nachdenklich, wie der Dienstleistungsgedanke aufgefasst wird. Das Gaststättensterben wird sich wohl leider fortsetzen. Ich kann gute Vergleiche zu meiner ersten Runst 2010 ziehen. Damals hatte ich zu keiner Zeit mit „Versorgungsengpässen“ zu kämpfen. Bei der Planung hatte ich meiner Frau mehrmals gesagt: „Wir laufen mitten durch Deutschland, mit vorgebuchten Unterkünften. Das wird ganz easy, nur der Weg ist lang.“ Lang war er auch, der Weg.
Die letzten paar Kilometer von Steinbach am Wald nach Blankenstein wollen wir 2021 als entspannte Zweietappentour nachholen. Vielleicht. Wenn nicht irgendwas dazwischenkommt. Wer weiß das schon in diesen Zeiten?

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