Sterbende Fichten, Schmierfinken und Overtourism

Blick vom Riff über der HöllenwandEine an sich sehr schöne, lohnende und etwas anspruchsvollere Wanderung führte uns am vergangenen Sonnabend durch das Gebiet der Affensteine. Angenehme Temperaturen und eine recht gute Sicht hätten das Herz jedes Wanderers höher schlagen lassen können, wären da nicht die Dinge, die ich als Überschrift wählte.

Beginnen wir aber mit einem kurzen Abriss der etwa 14 Kilometer langen Wanderung. Startpunkt für uns ist der Parkplatz ‚Nasser Grund‘ im Kirnitzschtal in der Sächsischen Schweiz. Schon ahnend, was uns erwarten würde, stellen wir unser Auto kurz vor 8.30 Uhr am kostenpflichtigen Platz (5 Euro Tageskarte) ab. Noch ist die Parkfläche nur mäßig gefüllt. Also schnell los. Wir gehen etwa fünf Minuten auf dem breiten Hauptwanderweg in den Nassen Grund hinein. Dann zweigt die ausgeschilderte Eulentilke in südöstlicher Richtung ab. Wir sind ganz allein. Es geht mäßig bergan bis zum Unteren Affensteinweg. Diesen laufen wir in östlicher Richtung weiter. Bald taucht die markante Brosinnadel vor uns auf. Steil ragt die schmale Felsspitze gen Himmel. Leider steht die Sonne direkt vor uns, kein schönes Foto möglich.

Über den Kletterzugang ins Große Bauerloch erreichen wir unser erstes Ziel, die Zwillingsstiege. Es ist immer wieder ein faszinierender Anblick: eine fast senkrechte Wand mit einigen Stahlklammern, die uns beim Aufstieg behilflich sein werden. Laute Geräusche von einschnappenden Karabinerhaken schallen durch das Tal. An der unweit gelegenen Häntzschelstiege herrscht also schon Hochbetrieb. Hier ist noch kein einziger Wanderer unterwegs. Wir steigen bis zur Oberen Affensteinpromenade hinauf und überwinden so zahlreiche Höhenmeter in kurzer Zeit.

Zwillingsstiege Zwillingsstiege Zwillingsstiege Zwillingsstiege

Jetzt wird es gemütlich. Noch immer sind wir fast allein. Blick von der Oberen AffensteinpromenadeDie Obere Affensteinpromenade ist als Bergpfad nur spärlich markiert und deshalb vielen Touristen nicht bekannt. Mitwanderer begegnen uns erst, als wir auf den Malerweg treffen, der über die Affensteine und Schrammsteine führt und als Hauptwanderweg mit blauem Strich markiert ist. Nach mehreren Pausen, um die Aussicht zu genießen, treffen wir am frühen Mittag an der Breiten Kluft Aussicht ein. Hier rasten eigentlich immer viele Wanderer, nur so viele habe ich hier mitten im Hochsommer noch nicht erlebt. Sonst ist die Sächsische Schweiz in den Schulferien bzw. in den Monaten Juli und August im Gegensatz zu Frühjahr und Herbst eher mäßig besucht. Im Corona-Sommer 2020 ist aber alles anders. Also schnell weiter zur Aussicht, die sich oberhalb des Teufelsturms befindet (diesem gegenüberliegt).

Die ist zwar nicht ganz so schön wie die Breite Kluft Aussicht, dafür aber menschenleer. Von verschiedenen Standorten kann man auch hier die Zschirnsteine, Kaiserkrone und Zirkelstein sowie den Rauschenstein vor dem Großen Winterberg betrachten.

Blick über die Breite Kluft zum Rauschenstein und zum Rosenberg in der Böhmischen Schweiz (ganz im Hintergrund) Blick über die Breite Kluft zu Kaiserkrone und Zirkelstein Blick über die Breite Kluft zu den beiden Zschirnsteinen Blick über die Breite Kluft zu Rauschenstein und Großem Winterberg im Hintergrundnen

Zurück gehen wir über den Hauptwanderweg, der dann teilweise tatsächlich Zurückesteig heißt, um dem Carolafelsen noch einen Besuch abzustatten.

Blick vom Carolafelsen über den Dom zu den Schrammsteinen und dem Falkenstein

Blick vom Carolafelsen über den Dom zu den Schrammsteinen und dem Falkenstein

Also ehrlich gesagt, wollte ich den Overtourism erleben. Volltreffer gelandet. Das Motiv: Menschen mit Blick auf den Falkenstein.

'Belagerung' des CarolafelsensEine Influencerin posierte in ausgesetzter Position als Fotomotiv. Oder war das die Influencerin hinter der Handyknipse? Mir juckte es schon im Finger, das zu dokumentieren, aber der liebe Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte… Na, ihr wisst schon. Deshalb habe ich meine Linse lieber auf unscharf gestellt, zumindest was die Gesichter der Mitwirkenden betrifft.

durch die HölleDie Wilde Hölle als Abstiegsweg wollten wir uns dann nicht geben, denn hier wäre das Vorwärtskommen wohl sehr zeitaufwendig geworden. Also wenige Meter auf der Oberen Affensteinpromenade weitergegangen und den Talabstieg über die Hölle und später den Höllweg genommen und schon waren wir wieder (fast) allein. Der Zeughausweg bringt uns zum Jordanweg. Diesen folgen wir in nördlicher Richtung in den Nassen Grund und gelangen schließlich zurück zum Ausgangspunkt der Wanderung.

Wanderung auf dem Ausschnitt einer OSM-Karte. Open Street Map Kartenausschnitt – Copyright: Creative Commons Attribution Share Alike-Lizenz 2.0

Wanderung auf dem Ausschnitt einer OSM-Karte. Open Street Map Kartenausschnitt – Copyright: Creative Commons Attribution Share Alike-Lizenz 2.0

Auf der OSM-Karte ist unsere Tour eingetragen, der Hinweg bis zur Breiten Kluft Aussicht rot markiert, der Rückweg blau bzw. mit blauen Pfeilen, da wir Teile der Strecke in beide Richtungen gelaufen sind. Das ist hoffentlich etwas übersichtlicher.

Nun werden vielleicht einige denken: Was sollte das jetzt mit der Überschrift? Die Erläuterungen folgen ganz zum Schluss, da ich zunächst die an sich sehr schöne Wanderung beschreiben wollte.

Was fiel uns unangenehm auf? Bereits in der Eulentilke treffen wir auf abgestorbene Fichtenbestände. Vom hinteren Zschand ist mir das bekannt. Aber wahrscheinlich sind bereits so große Flächen des Fichtenbestandes im Elbsandsteingebirge betroffen, dass der Borkenkäfer nicht mehr zu stoppen sein wird. Das gilt auch für die Fichten auf der Oberen Affensteinpromenade. Die Frage stellt sich: Wie lange bleiben die Wege noch geöffnet? Im Gebiet der Thorwalder Wände sind der Hochhübelweg und der Reitsteig schon seit geraumer Zeit wegen umstürzender und umgestürzter Bäume gesperrt.

Fichtensterben am Ausgang der Eulentilke Fichtensterben am Ausgang der Eulentilke Fichtensterben auf der Oberen Affensteinpromenade Fichtensterben im Schmilkaer Gebiet und weit hinein in die Böhmische Schweiz (als braune Flächen im Foto zu erkennen)

Auf ein weiteres Problem möchte ich an dieser Stelle hinweisen, welches mir so drastisch noch gar nicht bewusst war: das Beschmieren oder die Verschmutzung der Wegmarkierungsschilder. Anders kann ich es nicht bezeichnen. In einer Fotomontage einige Beispiele von der Oberen Affensteinpromenade. Auf dem Zurückesteig sind (wahrscheinlich) sämtliche Einbauten (Brücken, Treppen, Stahleinbauten) an den Seitenflächen beschmiert. Das konnte ich leider nicht mehr fotografieren, da wir auf dem Weg zum Carolafelsen hoffnungslos im Overtourism steckengeblieben waren.

SchmierfinkenFast an jeder Engstelle bildeten sich Warteschlangen. Dazu nur die Fotomontagen von der Breiten Kluft Aussicht und vom Carolafelsen (siehe oben) und ein Verweis auf einen Artikel zum Thema mit dem abschließenden Zitat: „«Im Lockdown war Ruhe», sagt Jörg Weber als Sprecher der Nationalparkverwaltung. Wanderfalken konnten dort wieder ihren Horst bauen, wo sonst zu viel Lärm ist. Neben Wildparkern und -campern ist der Individualverkehr ein Problem für Flora und Fauna. «Dabei gibt es sehr gut ausgebauten Nahverkehr», sagt Weber. Aber die Züge seien zu Hochzeiten voll. «Es ist halt zu viel Gast in zu wenig Landschaft.»“.

Belagerung der Breiten Kluft Aussicht

Bis zum nächsten Mal. Dann suchen wir uns wieder Wege, auf denen wir nur wenigen Leuten begegnen werden. Solche Wege gibt es immer noch in der Sächsischen Schweiz!

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3 Antworten zu Sterbende Fichten, Schmierfinken und Overtourism

  1. Andrea sagt:

    Wenn ihr die „verstecken“ Wege weiterhin ins Netz stellt, werden auch diese es in Kürze nicht mehr sein.

  2. Wanderbär sagt:

    Jawoll, ich sagte doch: Die Bilder mit vielen Menschen bekommst du sicher an jedem Wochenende 🙂 Aber davon abgesehen, dass ich auch eher die ruhigeren Wege vorziehe, ist doch so ein Abstecher in die Massen auch recht schön. So wie ein Krach die Ruhe neu erleben lässt, oder ein Gewitterregen das schützende Dach wertvoll erscheinen lässt.
    Insgesamt jedenfalls eine schöne Runde, in der übrigens und eigentlich fast gar keine „versteckten Wege“ verraten wurden. Die Wege müssen gar nicht allzu versteckt sein, um ruhiger zu werden. Dies bestätigt sich doch schon aus der Tatsache, dass selbst auf der Zwillingsstiege schon der Rummellärm nur von Gegenüber zu hören ist.
    Aber extrem ärgerlich ist doch, dass nun die thumpen Schmierfinken auch im Gebirge angekommen sind. Da zitiert man doch am besten Robert Blum, welcher bereits 1832 ins Stammbuch auf dem Kuhstall u.a. schreibt: “ … Da wo der Haufe erscheint, wirft er das Schöne mit Kot!“

  3. Achim Althausen sagt:

    Die Schilderung kann ich nur bestätigen im Juli war es teilweise sehr voll. Auf dem Weg von der oberen Schleuse nach Hinterdittersbach war z.B. auch Hochbetrieb. Das fand ich eher ungewöhnlich. Die Meisten fahren sonst mit dem Boot und gehen von da über das Hermannseck wieder zum Parkplatz. Das war dieses Jahr nicht so. Auch sind mir viele planlos herumlaufende Wanderer begegnet. Mit entweder schlechtem Kartenmaterial auf dem nur die allerwichtigsten Wege eingezeichnet sind oder (sehr häufig gesehen) mit Mobiltelefon und GPS/OSM Karte. Es wird dann planlos in schmales Pfade abgezweigt, weil die eben in OSM zu sehen sind ohne, dass man eine Idee hat was einem dann auf einem Kletterzugang erwarten kann. Die Schmierereien auf den Schildern habe ich auch gesehen. Sehr ärgerlich, mir hat mal ein Nationalpark Mitarbeiter erzählt, dass die Schilder alles andere als preiswert sind. Die Touristische Relevanz einer Aussicht/Wanderoute kann man auch sehr gut an der Zahl der „Weißpilze“ sehen. Wandern bzw. Bewegung fördert nachgewiesener Maßen die Verdauung und es wird in den Wald gesch… was nur geht und dann immer mit Tempo abgewischt statt dem viel umweltfreundlicherem Toilettenpapier. Einfach nur ekelig. Auch immer wieder auf den stark frequentierten Aussichten zu sehen das Wespenproblem: Die Besucher werfen Obst- und Speisereste in die Felsspalten. Das lockt die Tiere natürlich an und sorgt bei vielen dann für Panik.

    Vor diesem Hintergrund mehr als verständlich, dass Wege gesperrt sind und die Nationalparkverwaltung nicht möchte wenn stille Wege veröffentlicht werden. Vielleicht sollte man tatsächlich einige dieser Wege für sich behalten und nicht ins Netz stellen.

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