Die Idee zu dieser Wanderung oder besser „Stiegensuche“ entstand nach dem Kauf des neuen „Klettersteigführers – Steige und Stiegen in der Böhmischen Schweiz“ aus dem Heimatbuchverlag (Michael Bellmann). Erwartungsgemäß hatte ich nach dem ersten Durchblättern des Buches nicht viel mir Unbekanntes gefunden. Das liegt aber nicht am Autor sondern ist der Tatsache geschuldet, dass es auf böhmischer Seite einfach nur wenige Stiegen gibt, die erhalten werden und die offiziell zugänglich sind. Einige der alten Steiganlagen liegen in der Zone I, die selbst auf Kletterzugängen vom Wanderer nicht betreten werden darf (Beispiel „Käs und Brot“).
Immerhin habe ich noch einige Wanderideen zu alten Aufstiegen gefunden, die mir bisher nicht bekannt waren (vor allen direkt in Hřensko und in der Nähe der Grundmühle).
Der Klettersteigführer beschreibt die Steiganlagen zunächst vom historischen Hintergrund aus und schildert dann den Wegverlauf. Letzteres allerdings in oft recht knapper Form. Ich hatte da so meine Bedenken, ob der Ortsunkundige die teilweise schon verfallenen Anlagen findet. Die im Buch abgebildeten Karten sind sicher sehr hilfreich, leider aber sehr klein. Da ist unterwegs die Lesebrille gefragt, sofern man nicht mehr über 100% Sehschärfe verfügt.
„Grau ist alle Theorie“, also lasst uns zur Praxis schreiten. Mit Stiegenfreund Matthias ging ich auf die Suche nach den vier beschriebenen Aufstiegen in Hřensko (Herrnskretschen): dem Steig am Elisalexfelsen, dem Steig am Bielhorn, dem „verfallenen“ Jonsdorfer Steig und dem Steig am ehemaligen Herrenhaus.
Das Auto hatten wir in Schmilka auf dem großen Parkplatz vor der Grenze abgestellt. Da der Parkautomat nicht funktionierte, war dies die preiswerte Alternative zu den hohen Parkgebühren auf tschechischer Seite. Auf dem Weg nach Hřensko wollten wir schon einmal Ausschau nach dem Einstieg zum „Herrenhaussteig“ halten, den wir uns für den Rückweg aufheben wollten. Kurz vor der Mündung der Kamenice (Kamnitz) schauten wir uns etwas skeptisch den Aufstieg an und gingen gleich weiter auf die Suche nach dem Aufstieg zum Elisalexfelsen.
Hinter einer Reihe brauner Holzbuden, die alle noch geschlossen waren, wurden wir sofort fündig. Ist auch nicht schwierig, da der Aufstieg mit gelbem Strich markiert ist. Nur bei der Holztreppe, die direkt neben der Straße nach oben führt, ist Vorsicht geboten. Eine Stufe ist schon durchgebrochen, eine zweite Holzbohle wird den Sommer wohl nicht erleben. Nach der Treppe folgen wir dem mäßig ansteigenden Serpentinenweg, der Ende März noch teilweise schneebedeckt und deshalb glatt ist. Der Aufstieg wird durch ein Stahlgeländer an einigen Wegabschnitten gesichert. Dieses ist jedoch dem Verfall preisgegeben und bei glattem Weg wenig hilfreich. Wir kommen an einer völlig verfallenen Bank vorbei und erreichen bald den ersten Aussichtspunkt. Das Geländer ist eher als Orientierungshilfe vor dem steil abfallenden Felsen zu betrachten, anhalten würde ich mich lieber nicht. Der Blick reicht hier über die Elbe bis in die Sächsische Schweiz hinein. Weiter führt der Aufstieg mit dem maroden Geländer unter einem Überhang hindurch zu einer zweiten Aussicht. Völlig überraschend ist hier die stählerne Sicherungseinrichtung der Plattform in Ordnung und wurde vor noch nicht allzu langer Zeit gestrichen. Der Blick schweift von hier aus über den Ort Hřensko in das Tal der Kamenice hinein. Der Weg steigt noch ein Stück weiter an, teilweise in Serpentinen, bis wir schließlich den Bergrücken erreichen. Nach Kartenstudium beschließen wir, den Steig zurück zu gehen. Die gelbe Markierung würde uns sonst zu weit von unseren weiteren Zielen wegführen. Eine Alternativroute scheint es nicht zu geben.
Wieder im Tal angekommen, begeben wir uns auf die Suche nach dem Aufstieg zum Bielhorn. An den Ständen der vietnamesischen Händler vorbei gehen wir am Ufer der Kamenice entlang in den Ort Hřensko hinein. Nach etwa 200 – 300 Metern müssen wir aufmerksam nach rechts schauen. Dort finden wir das markante Gebäude der ehemaligen Gasanstalt. Es ist wirklich nicht zu übersehen, liegt allerdings einige Meter von der Hauptstraße zurückgesetzt. Vor dem Haus gehen Stufen bergan. Wir gelangen auf einen breiten Weg, der uns mäßig ansteigend bis zu einer alten Kapelle mit dem angrenzenden Friedhof führt. Entgegen der Beschreibung im „Kletterführer“ folgen wir dem Hauptweg weiter bis zur Straße nach Janov (Jonsdorf), gehen an der Straße etwa 100 Meter bergab Richtung Hřensko und finden die Fortsetzung des Steigs zum Bielhorn. In weiten Serpentinen geht der Weg nach oben. Wegen des überdimensionierten Stahlgeländers ist der Weg nicht zu verfehlen und bereits von der Straße aus gut zu sehen. Nach wenigen Minuten erreichen wir den Aussichtspunkt und damit das eigentliche Ende des Steigs. Die Sicht ist von hier oben nur eingeschränkt, da die Aussicht bereits teilweise zugewachsen ist. Dafür wurde das Geländer in Stand gehalten und sogar eine Sitzbank aufgestellt.
Wie nun weiter? Nach dem Blick in die uns zur Verfügung stehenden Karten, beschließen wir, den gelb markierten Weg hinter der Bielhorn-Aussicht weiter aufzusteigen und den „verfallenen Jonsdorfer Steig“ von oben zu suchen. Als Orientierung soll uns die im „Kletterführer“ beschriebene Rohrleitung dienen, die wir auch bald finden. Aufmerksam schauen wir Richtung Tal, können aber keinen Weg erkennen. Wir gehen noch einige Meter weiter und kommen zu einem der zwischen 1935 und 1938 errichteten tschechischen Bunker der sogenannten Schöberlinie. Immer wieder suchen wir vom Kamm aus einen Pfad der uns auf der anderen Seite wieder nach Hřensko zurückführt. Vergeblich. Wir beschließen, zur Rohrleitung zurückzukehren, nicht wissend dass wir buchstäblich neben dem Ende des „Jonsdorfer Steigs“ stehen…
Fortsetzung folgt.